Görlibeauty

Der Osten hat die schönsten Mädchen, sagt man. Leider war der eiserne Vorhang viel zu lange blickdicht. So erstaunt es den Westler geradezu was es im Osten an Eye-Candy zu bestaunen gibt. Görlitz, östlichste Stadt Deutschlands, von Polen nur durch die Neiße getrennt. Eine Schönheit, welche komischerweise direkt an der Neiße aufgehört worden ist, verteilt zu werden. Die etwas derangierte polnische Schwester Zgorzelec „verführt“ ihre Kunden, nur weil sie billig ist -also, die Zigaretten und der Schnaps.

Bonjour Tristesse – links der Neiße liegt Zgorzelec
und der Blick von der anderen Seite rüber nach Görlitz

„Schatz – ich geh mal kurz runter Kippen holen“ lautet in Görlitz: „Schatz – ich mach mal kurz rüber nach Polen.“ New York, Paris und Heidelberg in einer Stadt, das ist Görlitz. Diese Stadt in der Oberlausitz ist vom Zweiten Weltkrieg quasi komplett verschont geblieben. Ihre historische Altstadt mit all den Barock und Gründerzeit Fassaden steht unangetastet und makellos.

Rathausplatz Görlitz

Im WWII glücklicherweise übersehen, wird der Krieg heute aus Hollywood importiert. Durch die Altstadt um den Untermarkt ist schon Brad Pitt in Nazi-Kultfilm Inglorious Bastards gestolpert. „The Grand Budapest Hotel“ müsste streng genommen „The Grand Görlitzer Kaufhof“ als Filmtitel tragen, ist der größte Teil doch genau dort gefilmt worden. Nur Zwei von unzähligen internationalen Filmproduktionen, die hier entstanden sind.

 

Görlitz ist eine einzige Kulisse. Man ist versucht an die alten Mauern zu klopfen, um zu sehen ob es wirklich echte Mauern oder sehr gut gemachte Pappmache-Filmaufsteller sind. Renaissance, Barock oder Gotik – die Kulisse steht. Rund um die Uhr. 24/7.

 

Das macht Görliwood zum Blockbuster. Es gibt keinerlei Altstadt-Bausünden, auffallend wenig Leuchtreklame und unaufgeregte Görlitzer, die nicht komplett durchdrehen, nur weil Brad Pitt oder Kate Winslet gerade in town sind.

 

Dabei ist jeder Görlitzer in irgendeiner Produktion als Komparse zu sehen, oder er kennt jemanden, der jemanden kennt, der dabei war. Typisch für Görlitz. Unaufgeregt. Ruhig. Hilfsbereit. Bei über 4.000 denkmalgeschützten Gebäuden könnte man sich die weißen Lettern GÖRLIWOOD stolz auf die 400 m hohe Landeskrone vor den Stadttoren schrauben lassen. Macht man aber nicht, sollen die Anderen durchdrehen. Görlitz bleibt entspannt. Das Aphrodisiakum ewiger Jugend hat Görlibeauty nicht. Die Göre ist alt, aber gerade deswegen sehr attraktiv, und ihre Schönheit scheint unvergänglich.

Sankt Trompete

St. Tropez ist eine Trompete. Laut und nicht zu überhören, dabei reden wir hier von einem ehemaligen Fischerdorf mit sehr kleinem Hafen. In diesem drängeln sich zur Prime time, die – sagen wir mal-  mittelgroßen Yachten.

 

Für die Mega-Testosterongeschoße der oberen 2% unserer Welt, bleibt nur die Reede vor St. Tropez. Größer, höher, teurer ist das Motto.

Reede an der Cote d’Azur

Dazwischen drängelt sich der Pauschaltourist durch die kleinen engen Gassen um den Hafen zum Rich People Big Brother. Es geht zu wie im Zoo.

eng & klein – das Zentrum von St. Tropez

Nach St. Tropez rein führt exakt eine Straße, im Sommer kann man da für 5 km schon mal 2 Stunden brauchen. Im Stau sind alle gleich, aber es macht schon einen Unterschied sich im Fiat Punto zu langweilen oder im Lamborghini Gallardo direkt davor und dahinter. Die Ferrari, Bentley, Porsche und Lamborghini Dichte nimmt in St. Proll-pez groteske Züge an. Denn, erstens es gibt so gut wie keine Parkplätze. Und zweitens, mit 500 PS Schrittgeschwindigkeit auf einer französischen Dorfstraße zu fahren ist in etwa so lächerlich wie in Skistiefeln an den Strand zu gehen.

 

 

Apropos Strand, der ist wirklich schön mit sehr weißem Sand. Vor allem ist er endlos lang mit den berühmten Beachclubs in denen der 70ger Jahre Playboy Gunter die Bardot schon angesachst hat.

 

 

Es steht außer Frage, St. Tropez ist ein süßes Städtchen mit alten Mauern, einer Zitadelle mit Blick über die Cote d’Azur sowie einem Dorfplatz, welcher den Alten als Boule Court dient. Klingt nach einem Klassiker.

Blick von der Zitadelle auf St. Tropez

Französisches Savoir-vivre wie in einer Puppenstube, wären da nicht die Adilette mit Tennissocken oder Agent Orange Silbernacken mit sehr jungen, gesichtsrestaurierten Grazien auf turmhohen Louboutin Pumps. Sankt Trompete kann vermutlich nur im Winter leise, aber was will man hier schon im Winter? Verona Pooth möchte auch keiner morgens ungeschminkt und mit Mundgeruch erleben.

Port Grimaud

Jede Reise, sollte eine Überraschung sein. Ein Abenteuer, etwas Unerwartetes. St. Tropez kann das nicht bieten.

Schicaagooh

Navy Pier, Chicago

Diese Stadt ist Gangster. Lass New York das Hipster Image und Los Angeles sein Hollywood, the Windy City ist der coolste Player Amerikas. NYC, L.A. – Chicago braucht kein Kürzel.

 

Chicago kann eisig und schroff sein. Die Winter sind klirrend kalt und der Wind kriecht durch die Häuserschluchten wie eisiger Atem. Das sind die Momente, in denen Schicaagooh! unnahbar wird. Al Capone time in the city. Im Zuge der Prohibition in den 1920ger hatte Scarface die Stadt fest im Griff. Die Untouchable Gangster Tour stoppt heutzutage an blutigen Shoot-out Locations von Capone.

 

Die Sommer dagegen sind drückend schwül und heiß. Lake Michigan, die stadteigene Klimaanlage schaufelt glücklicherweise kühlende Brise und frische Luft nach Downtown. Wenn der Lake im Sommer zum Leben erwacht gilt “You can’t get better than Chicago in the summer.”

Chicago Bean

Entlang der Magnificent Mile, der Michigan Avenue liegt der amerikanische Traum in den Schaufenstern der Designer-Boutiquen. Davor der Gegensatz. Mittellose Straßenkünstler und Musiker in der steinigen Realität des American Dream.

 

Chicagos Architektur ist klar und ohne Allüren. Das soll nicht missverständlich klingen, denn Chicago ist grün und hat durchaus Finesse. Es wirkt nur alles sehr nüchtern. Vielleicht ist das der Grund für seine Improv Comedy Shows. Kreativität entsteht oft aus Mangel und Chicago ist die Wiege der Stand-up Comedy. Mike Myers, Steve Carell, Eugene Levy, Bill Murray, um nur ein paar zu nennen, haben hier ihre ersten Spaß-Gehversuche hingelegt.

Michigan Avenue

Chicagos Hochzeiten waren die 90ger. Zumindest sportlich gesehen. Michael „His Airness“ Jordan, Dennis „The Menace“ Rodman, Scottie „Hottie“ Pippen – die Bulls haben alle auf die Hörner genommen. Obwohl Chicago zum Rust belt gehört, hat es weder den Niedergang von Detroit, noch die Drogenprobleme von Cleveland. Uncle Sams drittgrößte Kulisse kommt ohne Chi-Chi aus. Heißt ja auch Chi-CAGO, und nicht Chi-CHI.

Oh Porto

Wer Portugal kennt, weiß das Land ist schön. Ein Land mit zwei Herzen. Lissabon die Stadt des Lichts und Porto die Stadt der Fischer. Oporto stand und steht aber schon immer im Schatten von Lissabon. Lisboa – der Name ist Programm- gilt als die Schöne, aber Porto als die Charmante.

 

Wie bunte Nähkästchen an den Hang geschraubt, stehen die Häuschen am Rio Douro. Vorne wütet der Atlantik und trägt den Salzgeruch weit ins Herz von Porto.

 

Eine offensichtlich unterschätzte Stadt, die klein und kompakt ihre engen Gassen um den Douro verteilt. Foz Velha, das historische Viertel am Wasser steht unter Denkmalsschutz und oftmals leer. Miete und Instandhaltung der alten Buden sind immens. Die Portuenser leben am Stadtrand. Im Altstadtviertel – in Ufernähe ausgenommen – ist abends daher kaum was los. Ribeira is the place to be.

Foz Velha Altstadt
Ponte Maria Pia

Lissabons Schönheit hat sich rumgesprochen. Portos pittoresker Arbeiter-Charme noch nicht. Das hält die Preise unfassbar günstig und die Massen weit weg. Es ist ein bisschen wie bei der Damenwahl. Die Hübsche wird bestürmt und ist schnell vergriffen. Die Unscheinbare mit dem einfallslosen Etikett „Hafen“ in der Warenauslage, braucht schon Kenner um entdeckt zu werden. Danach mach es aber BUMM, und man ist schockverliebt.

Rio Douro, Oporto

Orientierung in Porto ist einfach und logisch. Steigt man nach oben, legt sich Porto einem wie ein Schmusekätzchen zu Füßen. Stolpert man nach unten endet man immer irgendwo am Rio Douro und damit quasi im Zentrum, welches selbstredend, UNESCO Weltkulturerbe ist. Verdienter kann man es auch kaum sein.

 

Mit 240.000 Einwohnern hat Porto in etwa die Größe von Kassel, ist damit aber zweitgrößte Stadt Portugals. Und im Vergleich zu Kassel ist Porto die Granate bei der Damenwahl. Nix gegen Kassel, aber Porto hat definitiv mehr Klasse. Und Rasse sowieso. Oh Porto!

 

 

 

Ribéry of Bosnia

Glanz vergangener Tage

Sarajevo ist der Franck Ribéry aller Städte. Mehr Narbe als Gesicht. Aber, diese Narben zeichnen die bosnische Hauptstadt wie das Gesicht eines zusammengeflickten, traumatisierten Kriegsinvaliden. Eine wüst missbrauchte Stadt, der man ihre Entstelltheit ansieht. Zerschossen, geschunden, aber nicht gebrochen.

zu gespachtelte Einschusslöcher

 

Sniper Alley, Ecke Marijin Dvor

 

Mögen die Anderen schön sein, Sarajevo ist stolz. Vor allem die Frauen. Sie halten dem Blick in die Augen im Vorbeigehen auf der Straße stand. Das passt zu dieser Stadt. Sie hat etwas Aufrechtes, egal wie hart das Schicksal sie auch gebeugt hat. Mahnmal und Orientierungspunkt ist ein quietschgelber Würfel – das legendäre Holiday Inn Hotel.

 

1984 für die olympischen Spiele in Sarajevo gebaut, die als die mitunter bestorganisierten Spiele aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingegangen sind. In den 90gern war das Holiday, weniger Holiday als Korrespondenten-Hotel im belagerten Sarajevo.

 

Damals war die Zmaja od Bosne direkt vor dem Holiday Inn, die gefährlichste Straße der Welt. Die berüchtigte Sniper Alley. Gestorben wurde schnell und viel. Die Kessellage bot hinterhältige Abschussverstecke für Scharfschützen. Kinder, Frauen, alles war Freiwild. Wilder Westen im Osten.

Blick vom Holiday Inn auf Sniper Alley

Ein Blick vom Avaz Twist Tower genügt um diese perverse Gegebenheit der Natur zu kapieren. 2008 erbaut zählt er zu den weltweit schönsten Türmen, einer der Höchsten noch dazu. Für 50 Cent garantiert er einen unbezahlbaren 360 Grad Blick auf Sarajevos Geschichte.

Im Hintergrund der Avaz Twist Tower Sarajevo, 176 m
Blick vom Avaz Twist Tower

Die ehemalige Sniper Alley, heutige Zmaja od Bosne zieht sich wie ein Reißverschluss durch die Stadt. Auf ihr rumpeln die ältesten Straßenbahnen Europas. Ausrangierte Bahnen aus Deutschland oder Österreich pendeln im Minutentakt hin und her. Die Fahrt mit Linie 3 ist besser als jede Touristentour.

Linie 3, Sarajevo

One-way, egal wie weit, kostet 1.80 Bosnische Mark, ca. 90 Cents. Tickets direkt beim Bahnführer erhältlich, Schwarzfahren lohnt bei dem Preis nicht. Außerdem: die Ticketkontrollen sind überfallartig, streng und regelmäßig.

Miljacka Sarajevo

Direkt neben Linie 3 fließt die blutrote Miljacka. Zahlreiche Brücken queren das seichte Flüsschen, welches seine Farbe, nicht dem jahrelang vergossenen Blut, sondern rötlichen Erdablagerungen zu verdanken hat. Die berühmteste Querung ist die Latiner Brücke. Hier hat Sarajevo zum ersten Mal die Bühne für Weltgeschichte gestellt. 1914 erschießt Gavrilo Princip den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie. Lunte und Auslöser des 1. Weltkrieges. Ein weiterer Mosaikstein in der tragischen Chronik dieses Landes.

Ecke Lateiner Brücke. Heute Museum, früher Tatort.

Aber der blutigen Vergangenheit zum Trotz. Sarajevo zeigt Charakter. Das ist nicht selbstverständlich für eine Stadt, die weniger als Andere vom Leben geküsst worden ist.

Stadt der Friedhöfe

Dieser Starrsinn spiegelt sich auch in der Tatsache wieder, dass überall noch geraucht werden darf. Als Europäer zuckt man innerlich zusammen. Fast reflexartig wirft man fragende Blicke an den Nachbartisch, bis man sich erinnert: different country, different customs.

Osmanischer Einschlag im Old Town

Einzigartig ist wohl auch der Name. Bosnien-Herzegowina, Doppelnamen haben in der Regel die Eleganz und Grandezza von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Braucht eigentlich kein Mensch, aber sei’s drum. BIH ist definitiv eine Reise wert, gerade im Winter. Kleider machen Leute. Der weiße Anzug überdeckt die Narben, und weckt Erinnerungen an den olympischen Geist von 1984.