Málaguapa

 

Wäre Spanien eine Frau, dann müsste sie sich wie Málaga geben. Málaga hat alles, wofür Spanien steht. Zudem hat die Hafenstadt kaum Attribute der anderen großen spanischen Damen. Es fehlt das Nüchterne Madrids, das Versiffte Barcelonas, das Sterile Valencias oder das Gesichtslose Sevillas. Málaga hat Esprit, Eleganz und Stolz. Mála-guapa – die Hübsche.

 

Mediterranes Klima, heiße Sommer, milde Winter, viel Sonne, viele Golftaschen, noch mehr Rentner. Das Florida Europas. Gutes Klima, alte Knochen. So sieht man an der Costa del Sol sehr viele Menschen, denen es besser geht als 90 % der Weltbevölkerung. Deutsche, britische und holländische Rentner genießen die Vida Dulce im europäischen Winter.

 

Golf ist bekanntlich der Sex des Alters. Costa del Rentner oder Costa del Golf. Silbernacken ziehen im Akkord die Golfbags vom Flughafenband. Die, bis zum Rand der Unkenntlichkeit, geschminkte Gattin wackelt mit verdunkelter Gucci-Sonnenbrille nebenher. Man sieht es der Klientel an, Geld ist da, Niveau nicht immer. Es braucht eben keinen IQ jenseits der 30, um zu verstehen, dass es sich an der Costa so komfortabel lebt wie zu Hause auf der sündhaft teuren Rolf Benz Couch.

 

Den Namen Pablo Picasso hat auch schon jeder Mal gehört, dass der Maestro in Málaga geboren wurde ist, in gewissen Kreisen, vermutlich Insider-Wissen. Nicht mal Pablo schafft es der Hafenperle eine Antwort auf die Frage zu geben: Warum ist Málaga nicht mehr als ein Drehkreuz? Der Großteil der Visitantes zieht vom Airport sofort weiter zum Grillen an die Costa, zum Golfen ins Umland oder zum Biken ins Hinterland mit seinen weiß getünchten Dörfern und wenig befahrenen Serpentinen.

 

Den Malagueños wird es recht sein. An den weitläufigen Stränden der Stadt wird es ohnehin nie eng, aber in der kompakten Innenstadt könnte man sich eher mal auf den Füßen stehen. Es bleibt aber beim Konjunktiv, die Massen sind (noch) nicht da. Es wäre auch schade den polierten Marmor zu verdrecken.

 

Neben diesen klassisch spanischen Elementen zeigt Málaga sein rotziges Gesicht. Der Guadalmedina teilt Málaga, der Fluss der Stadt führt aber nur noch selten Wasser. Das betonierte Flussbett hat den Charakter einer Industriebrache. Die trockene, verschmutzte Lunge Málagas. El Terral heißt der Wind, ein heißer Atem, der im Sommer Málaga glühend heiß werden lässt.

 

Vielleicht trinkt der Malagueño deswegen gerne kühles Bier, obwohl Cerveza nicht gerade zu dem Stärken Andalusiens gehört. Eine Frau, die Bier trinkt. Ja, Málaga ist nicht nur guapa, sie kann auch macho. Salud!

Skopje Kitsch

 

Die Quadratur des Kreises ist ein schweres Unterfangen, den Mazedonierinnen ist sie gelungen. Frauen mit markant-eckigen Gesichtern, Schönheit im klassischen Sinne sieht anders aus. Eine gescheitere Laune der Natur, bei der die Mazedonierinnen das kürzest mögliche Stöckchen in der Attraktivitäts-Lotterie gezogen haben. Gott schuf die Welt und am 7. Tag ruhte er. Entweder war genau an diesem Sonntag gerade Mazedonien dran, oder Mazedonien hatte frei. Es ist kein hübsches Volk, aber ein lebensfrohes.

Kale Festung, Skopje

Der Widerspruch dieses Landes ist ohnehin nur mit Humor zu ertragen. Wenn es überhaupt gezahlt wird, hat der Mazedonier ein durchschnittliches Monatseinkommen von 365 €. Das ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Anstatt Geld in Bildung und Förderung der Wirtschaft zu pumpen, wurden 600 Mio. € für den inoffiziellen Titel „Hauptstadt des Kitsch“ verballert. Ein Prestigeprojekt der Regierung. Sinn- und gedankenlos. Die Modernisierung alter Zentren ist für jeden Städteplaner eine Herausforderung. Nur die Schönheitsoperation „Skopje 2014“ ist dermaßen lächerlich daneben, dass es schon wieder interessant macht.

Skopje soll mehr Statuen haben als Athen.

 

Griechenland grenzt an Mazedonien, der Baustil ist schon da.

Angeblich gibt es für jeden Tag im Jahr eine Statue. Griechische Säulen oder Französische Triumphbögen neben kommunistischem Betonblöcken – Skopje verbindet wahllos Epochen. Einer der Gründe für diese gewagten Bausünden, könnte das Erdbeben von 1963 gewesen sein. 80% der Stadt und viele historische Bauten sind damals komplett zerstört worden. Den Wettbewerb zum Wiederaufbau Skopjes hat der japanische Architekt Kenzo Tange gewonnen, und Skopje seinen fantasielosen Brutalismus in Beton gegossen. Mit dem Kitsch-Projekt „Skopje 2014“, sieht die Stadt heute aus wie auf Botox.

Triumphbogen auf Mazedonisch

Wer das alte Skopje erleben will, muss auf den Old Bazaar. Der alte Basar von Skopje hat mehr Bling Bling als die Nobelstraßen von Hamburg und München zusammen.  Der Aktienkurs von Gold stagniert derzeit, in Skopje ist er im Allzeit-Hoch. Aber neben dem goldigen Gesicht, gibt es eine weitere Facette.  Die Steinbrücke trennt das alte vom neuen Skopje. Auf der einen Seite der Vardar leben die Albaner, auf der anderen Seite die Mazedonier, dazwischen die Sinti & Roma. Es gibt Muslime und orthodoxe Christen, aber keinen Disput. Kreuz, Kirche, Moschee. Es ist wie es ist, und man kommt miteinander hervorragend klar. Die Welt sollte und könnte an Mazedonien ein Exempel statuieren. So geht friedliches Miteinander. Zugegeben, wer im Alltagskrampf ums Überleben strauchelt, hat grundlegendere Sorgen als religiöse Befindlichkeit.

Wahrzeichen von Skopje, die alte Steinbrücke über der Vardar.

Apropos Befindlichkeit. Selbst für Nicht-Raucher ist Mazedonien Lungenkarzinom verdächtig. Der blaue Dunst hängt tief und schwer in Kneipen, Bars und Restaurants. Als Nichtraucher wacht man nach einer Nacht in Mazedoniens Clubs mit Joe Cocker Stimme wieder auf, so heftig ist das Passiv-Rauchen. Oder man ist heiser vom Grölen, denn Mazedonier sind textsicher. Voller Inbrunst singen sie alle ihre mazedonischen Lieder. Alle für ein Lied, aber keine Liebe für alle. Jede Clique bleibt unter sich. Männer sprechen Frauen nicht an, und den Ladies scheint die Männerwelt ebenfalls völlig am Arsch vorbeizugehen. Wo normalerweise Testosteron für Wallung im Gockelreich sorgt, herrscht erstaunliche Friedfertigkeit. Alle sind bombig drauf und feiern sich, ihre Lieder, die Kippen und das Leben.

 

Alter Basar von Skopje

Fairerweise muss auch hier erwähnt werden, dass der mazedonische Mann bei der Quadratur des Kreises ebenfalls nicht auf der Gewinner Seite gestanden hat. Nur die Dame mit Faible für Boxer Visage auf Kanisterkopf mit Bürstenhaarschnitt, bekommt hier nachhaltig Herzrhythmusstörungen.

 

Mazedonien sieht aus wie eine ramponierte Pralinenschachtel mit dem schalen Geschmack eines Aschenbechers. Nur seien wir ehrlich, wer sich im gleichgeschalteten 21. Jahrhundert auf Paris, London oder NYC stürzt, hat nicht verstanden, dass Reisen immer etwas Unerwartetes, Überraschendes und Ungewöhnliches bieten sollten. Skopje würde selbst auf der Liste der Second Cities keinen einstelligen Tabellenplatz holen, aber es lohnt sich verdammt nochmal sehr nach Mazedonien zu reisen.

Millennium Kreuz, Vodno Skopje

Auf dem Vodno, dem Hausberg Skopjes, steht ein weiteres Highlight des grenzwertigen Geschmacks. Ein turmhohes Stahlkreuz. Wenigstens, und das muss man den Mazedoniern lassen, gibt es keine Gewalt im Land.

Blick vom Hausberg Vodno auf Skopje

Hier griechische Arkaden, vergoldete Statuten oder pompöse Fontänen und dort Armut. Im ärmsten Land Europas sind die Sinti & Roma die absoluten Verlierer. Unzählige betteln im Zentrum. Verwahrlost, aber straff organisiert, frieren die Kinder im T-Shirt, um ein paar Denar zu erbetteln, und frisch kann es durchaus werden in Skopje. Die Stadt verschwindet förmlich in einer luftig großen Bergarena.

 

Skopje, die Hauptstadt des Kitsch ist ein streitbarer Titel, aber besser als gar keiner.

 

 

 

 

 

 

 

 

Miss Saigon

 

Vietnam ist ein Land mit tiefer seelischer Narbe. Haben zerrissene Staaten wie die ehemalige Sowjetunion, der Balkan oder beide Koreas physische Grenzen oder entstellte Gebäude, verarbeitet Vietnam sein Kriegstrauma mit typisch asiatischer Diskretion. Vietnam lächelt den Schmerz weg, aber wer in Ho-Chi-Minh-Stadt das Kriegsopfermuseum besucht, dem wird das Drama zwischen kommunistischem Norden und kapitalistischem Süden voll bewusst. Napalm, Agent Orange (Anmerk. Red. ausnahmsweise mal nicht D. Trump), Prostitution, Umweltzerstörung. Vietnam wurde mehr als nur einmal vergewaltigt.

Nickerchen geht immer und überall, Saigon

Fleiß, Demut und Toleranz haben aber gerade das ehemalige Saigon in Rekordzeit explodieren lassen. Wirtschaftlich und gesellschaftlich. Ein Phönix, der aus seiner eigenen Asche stieg. Ho-Chi-Minh brummt. Vor allem die Mopeds. Knapp 7 Mio. Einwohner, aber vermutlich die doppelte Anzahl der Knatterbüchsen. In vietnamesischen Großstädten wie Saigon die Straße zu überqueren, ist Survival Adventure pur.

 

Ho Chi Minh Stadt

Regeln? Gibt es keine. Man fährt vogelwild. Wer sich in der Mitte einer Kreuzung postiert, wird umfahren. Man muss nur die Nerven behalten, es ist als wäre eine Horde Tausender Hornissen auf einen losgelassen, aber die Xe Máy (Mopeds) touchieren einen nicht. Es ist wie ein Strom, der einen umgibt. Folgende Empfehlungen sind lebenserweiternd:

  1. Eier! Wer zögert, kommt nie über die Straße.
  2. Move! Lauf stetig, dann wird man umfahren, vgl. mit einem sich bewegenden Objektes eines PC Spiels.

Vietnam eingeklemmt zwischen China, Kambodscha und Laos sieht aus der Luft  aus, wie eine ausgedrückte Zahnpastatube aus. Lang und schmal geschnitten, macht es das Reisen idioten-sicher, denn entweder man startet in Hanoi und endet in Saigon, oder andersherum. Es scheint auch, dass sich sämtliche Aggressionen in Vietnams Stellvertreterkriegen entladen haben. Freundliche, höflich zurückhaltende Menschen, nur die Busfahrer haben definitiv den Schuss noch nie gehört. Lange Strecken lassen sich hervorragend in Overnight-Bussen machen. Man hat, fast vergleichbar mit Business Class Flügen, sein eigenes schmales Bett. Nur, und jetzt kommt der kleine aber feine Unterschied zur gediegenen Atmosphäre eines Business Class Fluges, Vietnams Busse sind akustischer Krawall. Durch die Nacht, Licht an, Musik voll auf Anschlag, gefahren über dem Limit – die Wahrscheinlichkeit zu überleben, ist dennoch immer noch erstaunlich hoch. Wer also in einem Stück ankommt, stolpert mit Tinitus, völlig überdreht an einem der Traumstrände wie Na Thrang, Mui Ne oder der Ha Long Bucht aus dem Bus.

 

Na Thrang Beach, Vietnam

Es passiert immer wieder, dass man von Einheimischen angesprochen wird. Meist sind es Studenten, die ihr Englisch verbessern wollen. Wer sich die Zeit nimmt, wird ein bisschen näher rankommen als nur bis an die freundliche Fassade der Vietnamesen, denn das Land ist auf dem Weg das neue Thailand zu werden. Leider. Thailand ist schon lange ein verlorenes Paradies. Vietnam hat noch das Unberührte, aber die einschlägigen Stops auf dem schmalen Gürtel Vietnam sind schon jetzt mit mehr und mehr Around-the-world-Backpacker Hang-outs gespickt.

Local hero! Besser mit Helm, wegen der Sicherheit….

Ganz pauschal kommen diese Backpacker in Vietnam in 3 Kategorien. Kategorie 1 ist der Deutsche. Alleinreisend, gerne in einem der vielen Massage Salons das Extra „Happy Ending“ buchend. Kategorie 2 ist der Franzose. Nie alleine, mindestens zu zweit. Als ehemalige französische Kolonie kommt man mit Francais relativ gut durchs Land, das nimmt den anglophoben Franzosen ihre Grundparanoia. Kategorie 3 ist der Brite. Immer in Gruppen. Backpack-Folklore. Die Briten fliegen um die Welt, um letztlich exakt das gleiche zu tun wie zu Hause. Saufen & Premier League im TV schauen. Von allen 3 Backpacker-Typen sind die Briten aber noch immer die Lustigsten. Englishmen in Vietnam, vor allem in der Bui Vien, der Khao San Road Saigons sieht man viele europäische Langnasen, wem danach ist.

 

 

 

 

 

 

Iceland detoxed

 

Schönheit in Worte zu fassen ist schwer. Islands Natur braucht keine Worte, sie macht sprachlos. Dieses Innehalten, die Stille, die Klarheit der Menschen. Ein Land wie ein Geschenk, eingehüllt in kalten Atem. Das herbe Klima macht es aber nicht ungemütlich, sondern kreiert genau das Gegenteil. Man genießt geradezu die Kargheit, die raue Seeluft, die stahlblauen Augen der Isländer. Stolz und offen präsentieren sich die Nordlichter.

 

Reykiavík – das schönste Hauptstadtdorf der Welt. Ein Dorf, so klein wie übersichtlich gebaut. Gefühlt eine Hauptstraße. Keine gewaltigen Hochhäuser, Bergdorfcharakter am Meer. Als hätte man mit dem Atlantik nicht schon genug Wasser um sich herum, gibt es im Herzen nochmal zusätzlich den City pond, damit sich die Enten auch noch wohlfühlen dürfen. Grün und liberal ist das Grundklima im Gemüt der Isländer.

 

Klar das Wasser eine tragende Rolle spielt, bei demjenigen der mitten im Atlantik lebt. Die Häuser werden mit warmem Wasser geheizt, welches überall aus ultra-heißen Quellen sprudelt. Das kalte Island, sitzt – Ironie des Schicksals oder ausgleichende Gerechtigkeit- auf heißen Quellen.

 

Mit dem heißen Wasser wird aber nicht nur geheizt, Island hat eine ausgesprochene Badekultur. Jeder Isländer geht gerne baden. Die vielen öffentlichen Bäder sind altehrwürdig, an manchen Stränden sind die heißen Quellen auch kostenlos. Es gibt keine besseren Thermalquellen als Islands. In Open Air Becken mit fast 38 Grad Celsius zu sitzen, auch wenn es stürmt und schneit, ist eine Kneiptour de luxe.

 

Ein Land wie eine Kur. Kaum Verkehr, wenig Menschen, sauber, weltoffen trotz geografischer Isolation. In Reykiavík kennt jeder jeden, der Bürgermeister oder Minister stehen im Supermarkt selber in der Schlange. Jeder weiß wo Björk wohnt, man könnte theoretisch direkt an ihrer Haustür klingeln und sie zum Käffchen rausbitten.

 

Wer Island besucht fühlt sich danach wie mental und körperlich durchgelüftet. In Zeiten von Bio & Detox vermittelt Island dieses Gefühl in Dauerschleife. Die Welt ist kein Ponyhof, doch in Island ist es ein Shettland-Ponyhof zum Anfassen, Mitmachen & Akku aufladen.

 

Vermutlich ist es die Abgeschiedenheit, die Weltoffenheit als logische Konsequenz mit sich bringt. Umweltkatastrophen, Terror oder Korruption sind Vokabular welches im harmonischen Island Neologismen darstellen. Zu perfekt, um wahr zu sein. Der Mensch braucht nicht viel zum Glücklichsein, und Island zeigt warum. Die schlichte Schönheit der Natur, das Meer und viel frische Luft sorgen für Klarheit in der Birne und im täglichen Handeln.

 

Wer also nicht in drückend-heißen indischen Ashrams bei Mantra-Yoga seinen Geist & Körper entgiften möchte, der sollte auf Island detoxen oder auf die Antwort seiner Fragen suchen. Islands Natur ist so gewaltig, sie macht demütig, und lässt erkennen, dass das wirklich Wichtige im Leben kein Geld kostet.