Frankreich

Normandie, ist ein traurig-schöner Name, der verniedlicht was sich auf wenigen Kilometern Strand 1944 abgespielt hat. Operation Overlord. Die Allierten ziehen endlich den Schlussstrich unter NS-Deutschland und machen ernst.  Nicht nur „Norman died“ hier, es sind genauso viele Werner, Günther und Horsts gewesen.

Die Landungen, besonders bei Omaha Beach, machen diesen zum Schlachthaus. Es wird wenig gekämpft, aber viel gestorben. Hunderttausende sind hier an diesen Stränden verheizt worden. Für ein freies Europa, ein Europa der verschiedenen Kulturen. Wir sollten sehr dankbar sein, und niemals vergessen, dass unser Wohlstand unter anderem hier begraben liegt.  70 Jahre Frieden bezahlt von 19- und 20 Jährigen.  Auf beiden Seiten.

Cherbourg-en-Contentin ist eine triste Stadt. Sie wirkt seltsam derangiert, geradezu plan-und wahllos wirken manche Bauten mitten rein gesetzt. Die Geschichte erklärt es teilweise. Ziel der Alliierten war 1944 der Tiefsee Hafen von Cherbourg, hier sollte der Nachschub anlanden. Nazi-Deutschland hat Cherbourg geopfert und verstümmelt, bevor es die Alliierten übernehmen konnten. Nach der Übernahme war Cherbourg kurzeitig wichtigster Hafen der Welt. Noch vor New York.

Das kleine Cherbourg hat sich nie wirklich erholt. Ohne das permanent meckernde Geschrei der Möwen, eine leidenschaftslose Stadt, die nicht sehr einladend wirkt. Ganz anders dagegen, die Strände. Wild und natürlich. Zu viele, zu lang, zu weitläufig um je voll zu werden.

Jedes Haus mit Meerblick, der Wind pfeift und das Meer wütet. Morgens Sonne, mittags Regen, abends Sturm. 3 Jahreszeiten an einem Tag, willkommen in der Normandie. Man hat eher den Eindruck in England zu sein, mittelalterliche Steinhäuser ducken sich in grünen Wiesen. Es fehlt nur noch King Arthur, der jeden Moment um die Ecke zu reiten scheint und übrigens, in der Normandie begraben liegt. Ein Brite, der weiß wo es sich aushalten lässt.

Eine Eigenart der normannischen Strände ist der enorme Unterschied zwischen Ebbe und Flut. Das kann, gefühlt, einen Kilometer an Weg ausmachen, und so schnell gehen, dass manche Fische förmlich bei ablaufendem Wasser kurzzeitig über Sand „in der Luft“ stehen.  Es geht ein knackiger Wind, der Atlantik ist erschreckend kalt,  und die Farbe des Sandes hat mehr Grau-als Gelbtöne. Alles in allem ist es unterkühlte Jever Land Romantik, die glücklich macht. Die Natur macht ihr Ding und der Mensch schaut ihr dabei zu.

Das britische Schmuddel-Wetter bekommen die Normannen frei Haus über den Ärmelkanal gepustet, und in der Küche haben sie sich anscheinend davon inspirieren lassen. Die Küche ist eher britisch hemdsärmelig, als französisch fein. Viel Burger, wenig Champagner.  Nur die Preise sind fürstlich de luxe.

Der Franzose an sich neigt gerne zur Ignoranz. La Grand Nation ist zwar schon lange passé, aber noch nicht bei jedem voll umfänglich angekommen. Letztlich dominieren auch in Frankreich inzwischen Fast Food Restaurants und asiatische Imbisse. Natürlich wird das kein Franzose jemals zugeben. La baguette, le fromage et le bon vin rouge sind aber schon lange keine Grundnahrungsmittel mehr.

Treu bleibt sich der Franzose nur, was das Auto angeht. Gerne französisches Modell, klein und definitiv verbeult. Es gibt keine Fahrzeuge ohne Delle. Und wenn es doch eines schadenfrei überlebt hat, fehlt mindestens eine Radkappe. Das Auto, als das was es ist. Ein Gegenstand, der BE-nutzt wird und sich AB-nutzt.  Status? Zero!

Es könnte aber auch sein, dass es dem Franzosen einfach zu teuer ist. Bei Preisen, die nochmal 40% über dem deutschen Niveau liegen, tankt es sich nicht milde lächelnd. Das französische savoir-vivre ist längst ein savoir-survivre. Frankreich ist teuer. Nicht ohne Grund haben die Franzosen Weltmarktführerschaft im Streiken.

Gestreikt wird eigentlich immer. Die Bahn, die Maut, der Flughafen, die Tankstellen, das Wetter, Mc Donalds – es gibt nichts, was den Franzosen nicht aufregt. Das Leben spielt sich in ein paar Metropolen ab. Paris, Marseille, Lyon. Die dünn besiedelten Landstriche dazwischen werden nur von den unrhythmischen Péage Haltestellen der Autobahnen unterbrochen. Gäbe es diese nicht, man könnte mit Tempomat 120 km/h ungebremst durchs ganze Land zuckeln.

Frankreich ist Bildungsreise. Eine unglaublich stolze Nation, mit großer Geschichte. Höhen und Dramen. Nicht nur die Normandie wurde gestürmt, auch die Bastille. Das Ende des Absolutismus 1792. Liberté, egalité et fraternité. Frankreich hat sich seine Freiheit wirklich erkämpft, um 200 Jahre später in Selbstgefälligkeit stecken zu bleiben.

Vive la France! La Normandie a aussi survécu.

Frankfurt

Frankfurt hing viele Jahre an der Nadel.  Abgehalftert und fertig. Das Bahnhofsviertel dominiert von Junkies. Frankfurter Applaus klatschte aus den Hauseingängen, beißender Pisse-Geruch stand in der Luft, verlebte Stricher mit leerem Blick lungerten auf den Straßen rum. FFM stand für: Fixer, Ficken & Moneten. Der Business Distrikt mit seinen High-Risern eine verspiegelte, tote Hülle. Täglich 260.000 Business-Pendler. Morgens rein in den Glasturm, abends raus, nachts die schmuddelige Parallelwelt.

Selbst der Frankfurter Flughafen ist lange Zeit nur eines der größten Drehkreuze unserer Welt. Eine Stadt wie ein Durchgangsbahnhof. Hin, noch schneller weiter oder im Sumpf verenden. Frankfurt kannte jeder, aber wirklich hin wollte keiner.  

Gestern war gestern und heute ist heute. Streng genommen ist Frankfurt rückblickend eine Aschenputtel Story. Aus dem verwahrlosten FFM ist eine erwachsene Stadt geworden. Eine Stadt, die es in der Form kein weiteres Mal in Deutschland gibt. Die Skyline der Banktürme hat FFM ein unverwechselbares Antlitz geschenkt. Es fehlt zwar der Glamour Münchens, das Herz Kölns und das Hipstertum Berlins, aber FFM hat sich in seinen Stadtteilen ohne Vorbilder entwickelt.

Im Frankfurter Ostend feiert sich eine eigene Bohème. Die stillgelegten Gleise entlang des Mains, sind heute Skatepark, Chill-out Area und moderner Lebensraum. Nur in einem bleibt sich Frankfurt treu. Alles passiert im Schatten eines Turms. Die EZB wacht über das urbane Frankfurt zu seinen Füßen. Und auf der gegenüberliegenden Seite glotzt das bürgerliche Sachsenhausen auf das bunte, hippe Leben des Osten.

Frankfurt hat noch immer die Härte einer Großstadt. Die krassen Gegensätze, nur im Ostend ist der Charme der alten Fabrikhallen Kunst und Lifestyle. In den Hauseingängen riecht es eher nach dem hippen Thai Take-Away von der Ecke, als nach den unangenehmen Ausdünstungen der Menschen.

Frankfurt ist nicht besonders schön und es ist nicht besonders hässlich. Es ist irgendwo dazwischen. Auf einer Punkte-Skala von 1 bis 10, quasi eine unscheinbare 5. Es ist ein Reiseziel, welches nur echte Globetrotter wahrnehmen. Lasst Venedig an der Kreuzfahrerei ertrinken, Dubrovnik von Touristen fluten, Barcelona, Paris, Lissabon an Touristenständen ersticken. Echte Traveller haben diese Ziele längst abgehakt. Es gilt  die Städte, der 2. Und 3. Liga zu erleben. Frankfurt zum Beispiel.

Wasser tut jeder Stadt gut. In Frankfurt ist es der Main. Viele Brücken, darunter der Eiserne Stieg, öffnen immer wieder den Horizont. Der Blick aufs Wasser beruhigt der zur Skyline fasziniert. Das sind die kleinen Aha-Erlebnisse der Bankenmetropole.

Die wahren, offensichtlichen Schätze übersieht man schnell, oder man muss sie ein bisschen suchen. Die altehrwürdige Markthalle. Klein und eng war sie schon immer, aber im 70ger Jahre Outfit stehen zu bleiben, macht sie heute attraktiv. FFM ist zudem eine junge Stadt, und schon lange keine „Furt der Franken“ mehr. International, business-affin und offen.  Expats hüllen den Straßenslang ins Englische.  „Fränkfort“ ist jung und cool.  Mehr veganer Smoothie, als benutzte Nadel. Ein erfolgreicher, kalter Entzug hat Frankfurt zu dem gemacht was es heute ist. Eine veritable Großstadt.