Tromsö

Traum so!

Tromsö ist eine kleine Stadt. Getrennt durch einen Fjord, verbunden über eine bogenförmige Brücke. Markenzeichen einer Stadt im hohen Norden. Das Klima ist, wie man es im November erwarten kann. Knackig-kalt, schnee- und regenreich.

Erstaunlicherweise hat diese 60.000 Einwohner Stadt mit ihren leeren Gassen etwas Heimeliges. Schummriges Licht macht die Glasfronten der Restaurants und Bars gemütlich. Wenn draußen Kälte um die windigen Ecken zieht, ist der Blick in die Fenster der Puppenhäuser umso einladender.

Holz und Glas dominieren das Design der Häuser. Die Skandinavier schaffen es geschmackvoll alt mit modern zu mischen, ohne dabei Bausünden in ihre atemberaubende Landschaft zu zimmern. Klare Linien mit schnörkellosem, puristischem Innendesign runden den Gesamteindruck wohlwollend fürs Auge ab.

Die raue Kälte schafft Klarheit im Kopf, die gewaltige Natur sorgt für Demut und die unverbindliche Offenheit der Norweger lassen den Gast entschleunigen. Niemand ist gehetzt, genervt oder drängelt. Alles ist im Fluss und geht seinen langsamen, wenn auch teuren Gang.

Busticket, Restaurant, Bar, Supermarkt, Taxi, Fähre, Museum, Kino – alles ist digital. Entweder per App zahlbar oder per Kreditkarte. In vielen Fällen ist es sogar nicht möglich mit Bargeld zu bezahlen. Passend zum gläsernen Design, der gläserne Bürger. Nur wird das hier hinter einer natürlichen, freundlichen Fassade angenehm verpackt.

Norwegen ohne digitalen Fußabdruck zu bereisen ist schwerer als die Nordlichter zu erleben. Gefährlich für das Bankkonto, da vom Kaugummi bis zum Shopping Mall Besuch die Kreditkarte pausenlos gezückt wird.  Die Freiheit nehme ich mir –Rechnung und Schock kommen später.

Tromsö ist die letzte größere Stadt vor dem Nordkap. Ein unaufgeregtes Drehkreuz für Funktionskleidung und Trekkingschuhe. Die Dichte ist exponentiell hoch. Und vermutlich auch einer der wenigen Orte der Welt, an dem man in seinem atmungs-aktiven Trekking-Outfit nicht wie ein kompletter Vollidiot aussieht. Interessanterweise scheint Tromsö auf der „bucket list“ von ganz Frankreich und Japan zu stehen. Man hört gefühlt mehr Französisch als Norwegisch auf den Straßen und blickt in erstaunlich viele asiatische Gesichter. Bei Franzosen ertappt einen immer das Gefühl, dass sie sich „ungefährliche“, leichte Reiseziele suchen. Sie trauen sich in ehemalige Kolonien wie Vietnam oder in sichere Reiseziele wie Skandinavien, aber nicht mit dem Rucksack durch Südamerika oder Afrika. Die Asiaten suchen sich hier ihre Weihnachtsromantik mit Schnee und Renntieren.

Geografisch liegt Tromsö an einem sanft abfallenden Hang, und erinnert an einen riesigen Outdoor-Kinosaal. Die Leinwand gegenüber ist mehr als nur Dolby Surround. Fjord, Bogenbrücke, Meereskathedrale und der Fjellhaven machen den Film zum Blockbuster. And the Oskar goes to…..Tromsö.

Sinnigerweise kann man den Fjellhaven-Gipfel über eine Sherpa-Treppe ersteigen. Flache Steine, die als Naturtreppe angeordnet den Weg nach oben weisen und so gangbar machen. Beim 60-minütigen Aufstieg kann man theoretisch alle Großwetterlagen erleben. Sonne, Regen, Schnee, Regen, Wind. Mit ein bisschen Glück tanzen nachts die Nordlichter über Tromsö und die Abfahrt mit der Gondel dauert nur Minuten.

Die Gegend um Tromsö ist so wie man sich den Norden vorstellt. Einsame Straßen schlängeln sich an gewaltigen Fjorden, steilen Berghängen und vereinzelten Dörfern durch eine gigantische Troll-Kulisse.

Es ist surreal, wie die Natur ihre majestätische Größe und Schönheit zelebriert. Renntiere kreuzen die Sträßchen, Delfin-Schulen tummeln sich in den Buchten und Grauwale heben träge ihre Schwanzflossen aus dem eiskalten Norwegischen Meer. Wenige Menschen runden das Naturerlebnis nachhaltig ab.

Eine Autostunde von Tromsö liegt Sommaroy – das Sylt der Tromsöer. Wäre es nicht bitterkalt und würde nicht Schnee die Kuppen bedecken, man wäre sich nicht sicher, ob man an einem karibischen Strand wäre. Weißer Sand und türkisfarbenes Wasser lassen erahnen wie ein „Sommer royal“ hier aussieht.  

Doch auch hier bleibt der Eindruck der Nachhaltigkeit. Es gibt keine Parkplätze, keine Hotelburgen, keinen Souvenirshop. Sommaroy ist schläfrig und menschenleer. Anders gesagt, ein paar bunte (aber hochwertige) Bretterbuden mit großen Glasfronten stehen wahllos verteilt am Wasser. Norweger haben und lassen Platz. Vor ihren Häusern, neben ihren Häusern, hinter ihren Häusern. Keine Enge, es bleibt immer Luft zum Atmen. Autos dürfen nicht an den Straßen geparkt werden, keine Mülltonnen verschandeln das Bild, niemand ist unterwegs. Ohne die Lichter in den Wohnzimmern wäre man allein.

Typisch skandinavisch. Natur pur. Unaufgeregtheit. Klarer Kopf.  Ein Traum eben.

Azoren

Ein Name, den jeder kennt, aber kaum jemand war schon da. Vom Azoren-Hoch ist gerne im Wetterbericht die Rede. Was subtropisch klingt, steht für milde Winter und nicht so heiße Sommer.  Das passt zu Image und geografischer Lage. Die Azoren sind irgendwo dazwischen. Allerdings nicht maus-grau, sondern gras-grün. Steile Küstenabschnitte mit tiefen, vulkanischen Kratern im Landesinnern sorgen für ein stetes Auf und Ab, trotz allem verliert man nicht die Orientierung. Die wenigen Straßen führen immer auf eine oder die andere Seite der Küste.

Eine Welt für sich, die faktisch zu Portugal gehört. Mediterranes Flair, gemächlicher Insel-Lifestyle mit üppiger Fauna. Die Azoren gehen noch immer als Geheimtipp durch. Auf Sao Miguel sprudeln bei Furnas heiße, thermische Quellen direkt aus der Erde. Das Wasser fließt über kleine Rinnsale in naturbelassene Außenpools. Es ist ein Genuss in diesen Tümpeln inmitten der Natur die Seele baumeln und den Körper entspannen zu lassen. Die grünste SPA-Erfahrung, die es geben kann. Mitten im Wald.

Die schroffe Küste gibt nur wenige Strände her, diese haben aber Potential für hervorragenden Surf. In Ribeira Grande laufen perfekte Sets über die Sandbänke. Bei mehreren Peaks hat jeder Surfer sein Revier, auch wenn die Local grommets in den Wellen Spray verteilen.

Vermutlich kennt jeder jeden auf den einzelnen Inseln – und der Rest sind Touristen. Wie so viele Inseln entschleunigen auch die Azoren den Geist. Vielleicht weil die Flut der Reize nicht gegeben ist und der Blick auf den Atlantik die Seele beruhigt.

Die Städtchen haben immer etwas Unaufgeregtes, Verpenntes. Nichts geht schnell, trotzdem wirkt alles im Fluss. Man kann dem Gras förmlich beim Wachsen zu schauen, wenn man das möchte. Die Entdeckung der sympathischen Behäbigkeit, auf gewisse Weise erholsamer als viele SPA-Oasen einer Großstadt.

Und dennoch bleibt es schwer ein scharfes Bild von den Azoren zu zeichnen. Dafür sind sie einfach zu viel im „irgendwo dazwischen“. Portugiesische Mentalität gepaart mit skandinavischer Wetter-Rauheit. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Aber dennoch nicht langweilig oder fad. 

Geradezu trotzig liegen die Azoren mitten im Atlantik. Ab vom Schuss, um überrannt zu werden. Aber nicht zu weit weg, um völlig aus der Welt zu sein. Dafür sorgt der Wetterbericht, der uns in schöner Regelmäßigkeit das Azoren-Hoch erklärt.