Ribéry of Bosnia.
Sarajevo ist der Franck Ribéry aller Städte. Mehr Narbe als Gesicht. Aber, diese Narben zeichnen die bosnische Hauptstadt wie das Gesicht eines zusammengeflickten, traumatisierten Kriegsinvaliden. Eine wüst missbrauchte Stadt, der man ihre Entstelltheit ansieht. Zerschossen, geschunden, aber nicht gebrochen.
Mögen die Anderen schön sein, Sarajevo ist stolz. Vor allem die Frauen. Sie halten dem Blick in die Augen im Vorbeigehen auf der Straße stand. Das passt zu dieser Stadt. Sie hat etwas Aufrechtes, egal wie hart das Schicksal sie auch gebeugt hat. Mahnmal und Orientierungspunkt ist ein quietschgelber Würfel – das legendäre Holiday Inn Hotel.
1984 für die olympischen Spiele in Sarajevo gebaut, die als die mitunter bestorganisierten Spiele aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingegangen sind. In den 90gern war das Holiday, weniger Holiday als Korrespondenten-Hotel im belagerten Sarajevo.
Damals war die Zmaja od Bosne direkt vor dem Holiday Inn, die gefährlichste Straße der Welt. Die berüchtigte Sniper Alley. Gestorben wurde schnell und viel. Die Kessellage bot hinterhältige Abschussverstecke für Scharfschützen. Kinder, Frauen, alles war Freiwild. Wilder Westen im Osten.
Ein Blick vom Avaz Twist Tower genügt um diese perverse Gegebenheit der Natur zu kapieren. 2008 erbaut zählt er zu den weltweit schönsten Türmen, einer der Höchsten noch dazu. Für 50 Cent garantiert er einen unbezahlbaren 360 Grad Blick auf Sarajevos Geschichte.
Die ehemalige Sniper Alley, heutige Zmaja od Bosne zieht sich wie ein Reißverschluss durch die Stadt. Auf ihr rumpeln die ältesten Straßenbahnen Europas. Ausrangierte Bahnen aus Deutschland oder Österreich pendeln im Minutentakt hin und her. Die Fahrt mit Linie 3 ist besser als jede Touristentour.
One-way, egal wie weit, kostet 1.80 Bosnische Mark, ca. 90 Cents. Tickets direkt beim Bahnführer erhältlich, Schwarzfahren lohnt bei dem Preis nicht. Außerdem: die Ticketkontrollen sind überfallartig, streng und regelmäßig.
Direkt neben Linie 3 fließt die blutrote Miljacka. Zahlreiche Brücken queren das seichte Flüsschen, welches seine Farbe, nicht dem jahrelang vergossenen Blut, sondern rötlichen Erdablagerungen zu verdanken hat. Die berühmteste Querung ist die Latiner Brücke. Hier hat Sarajevo zum ersten Mal die Bühne für Weltgeschichte gestellt. 1914 erschießt Gavrilo Princip den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie. Lunte und Auslöser des 1. Weltkrieges. Ein weiterer Mosaikstein in der tragischen Chronik dieses Landes.
Aber der blutigen Vergangenheit zum Trotz. Sarajevo zeigt Charakter. Das ist nicht selbstverständlich für eine Stadt, die weniger als Andere vom Leben geküsst worden ist.
Dieser Starrsinn spiegelt sich auch in der Tatsache wieder, dass überall noch geraucht werden darf. Als Europäer zuckt man innerlich zusammen. Fast reflexartig wirft man fragende Blicke an den Nachbartisch, bis man sich erinnert: different country, different customs.
Einzigartig ist wohl auch der Name. Bosnien-Herzegowina, Doppelnamen haben in der Regel die Eleganz und Grandezza von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Braucht eigentlich kein Mensch, aber sei’s drum. BIH ist definitiv eine Reise wert, gerade im Winter. Kleider machen Leute. Der weiße Anzug überdeckt die Narben, und weckt Erinnerungen an den olympischen Geist von 1984.
Hi Tarik,
ich war noch nie in Sarajevo, aber es liest sich unfassbar spannend. Was für eine Geschichte! Was für eine Stadt. Absolut beeindruckend. Ich suche schon nach Flügen. Ab nach BIH!
Merci,
David