Es dauert nicht lange, und der Erste kotzt. Ich sitze im Bus von Yangon nach Ngwesaung Beach. Müde vom langen Flug aus Europa starre ich auf die durchsichtigen Plastikbeutel, die an jedem Sitzplatz hängen. Der beißende Geruch von Erbrochenem zieht kurz und knackig durch den Bus bevor ihn die Klimaanlage verschluckt. Naja, im Flieger gibt es ja auch die Kotztüten, denke ich. Nur habe ich es noch nie erlebt, dass die einer benutzen musste.
In Myanmars Bussen ist das „Spuckerle“ Programm. Der Reihe nach übergibt sich die Hälfte der Locals gepflegt in die Plastikbeutel. Als wäre es ein choreografiertes Schauspiel für den einzigen Kaukasier an Bord. Ordentlich zugeknotet, bleiben diese als abschreckendes Mahnmal in den Sitznetzen der Vorderlehne liegen. Bus & Burmese verträgt sich also nicht, nur warum müssen die Tüten durchsichtig sein, frage ich mich und konzentriere mich auf die vorbei ziehende Landschaft. Als höflicher Gast passe ich mich gerne an, aber meine Plastiktüte will ich der Umwelt zu liebe verschonen. Das Land zieht sehr laaaangsam vorbei, die Busfahrer scheinen es, im Gegensatz zur restlichen Busfahrer-Welt, nie eilig zu haben.
Die Trödelei macht im Highspeed des 21. Jahrhunderts geradezu Spaß. Als stummer Passagier hinter einer fahrenden Glasscheibe beobachte ich die Menschen und ihren Alltag. „Echte“ Messi, Ronaldo oder FC Bayern München Trikots sieht man zwar auch hier, aber der Kleidungsstil hat noch lange nicht die westliche Hysterie.
Man trägt Longyi, der Winkelrock wird sowohl von Männern, als auch von Frauen getragen. Es ist die Alltags-Uniform der Burmesen. Thanaka, eine gelblich-weiße Paste, das birmanische Make-up. Die europäische Fango-Packung Beauty Programm findet eher im Privaten statt. Die Burmesin trägt die fein geriebene Baumrinde rund um die Uhr. Sie ist Kosmetika und UV-Schutz in einem. Scheinbar wahllos ins Gesicht geschmiert oder als verziertes Muster jede(r) nutzt Thanaka nach eigenem Gusto.
Hart an der Zeitzone zur Monsun-Zeit segelnd drückt es überschaubaren Swell an den Ngwesaung Beach. Im Wasser exakt 1 Surfer. #mealone. Nur wer ungewöhnliche Wege geht, folgt nicht den Ärschen der Herde. Das Meer ist warm, die Wellen klein und ohne Bumms, aber vermutlich bin ich in diesem Moment der einzige Surfer von ganz Myanmar.
Die kalte Dusche kommt täglich und heftig. Die Regenzeit hängt das Land wie unter einen grauen Vorhang.
In den vergangenen Jahren hat Myanmar einen Tourismus Boom erlebt. Waren es 2012 noch 1 Mio. Besucher, sind es 2018 bereits über 6 Mio. Gäste. Nicht nur der Name Burma hat sich zu Myanmar gewandelt, auch der Tourismus wird das Land verändern. Goldene Pagoden stehen nicht automatisch für eine goldene Zukunft.
Yangon ist wie eine tropisch-feuchte, schimmelige Duschkabine. Das Düstere mit drückender Schwüle macht Yangon aber interessant, blinzeln dazwischen immer wieder goldene Pagoden als Orientierungspunkte durch.
Aus Rangon wurde zwar Yangon, aber aus alt mach neu, hat die Gebäude nicht sofort auf Hochglanz mitsaniert. Dieser gammelige Chic ist ungewollt, aber faszinierend schön.
Myanmar ist kein Geheimtipp mehr, aber es zeigt ein Stück Asien, welches nicht viele zu Gesicht bekommen. Den Kotzbeutel aus dem Bus, habe ich dann übrigens doch noch vollgemacht. Mit schmutziger Wäsche….