Zappa-Town.
Frank Zappa war komisch. Litauen ist komisch. Komisch im Sinne von anders. Eingeklemmt im Baltikum, vom Tourismus übersehen, liegt ein kleines, unbedeutendes Land. Es steht weder für große Namen, noch für besonders schöne Landschaft. Es ist unscheinbar. Eine Eigenart, die es interessant macht, denn vor allem die Hauptstadt Vilnius ist sehr, sehr speziell.
Vilnius ist seit seiner Gründung eine der liberalsten Städte Europas. Ein Freigeist. Älteste Universitätsstadt des Kontinents. Das alleine verleiht schon das Prädikat: besonders wertvoll. So ganz geräuschlos ist dieses Attribut dann doch nicht vergeben worden. UNESCO Weltkulturerbe mit einer intakten historischen Altstadt und über 50 Kirchen haben für den Spitznamen Rom des Ostens gesorgt.
Allerdings ist diese Bezweichnung zu sakral für eine Stadt, die einfach mal so Frank Zappa eine Statue widmet. Der eigenwillige Querdenker und Musiker Frank Zappa hat Litauen nie besucht, aber dennoch ist er Kult und Teil der litauischen Folklore. Zappas Anti-Establishment Haltung begeistert viele Ostblock-Staaten im Kalten Krieg. Vilnius, der Freigeist, setzt ihm in 4 Metern Höhe ein Denkmal. Unspektakulär und unprätentiös steht Zappas Büste auf einem kleinen Platz vor Graffiti besudelten Wänden.
Man hat in Litauen diesen Hang zur Ironie. Wie sonst erklärt sich die Erklärung des Stadtteils Uzupis zur Unabhängigkeit. Unabhängig von Litauen, unabhängig von Vilnius. Es gibt ein Schild, eine Brücke, dahinter ein Café – der heutige Regierungssitz – willkommen im autonomen Uzupis. An 3 Seiten vom Fluss Vilnia umgeben ist der auf einem steilen Berg gelegene Stadtteil Industriegelände aus Sovjet-Zeiten.
In der kleinen Republik gibt es keine normalen Regeln. Es sind 41 Artikel, die das Zusammenleben bestimmen. Artikel 1 lautet: „Jeder hat das Recht, beim Fluss Vilnia zu leben, und der Fluss Vilnia hat das Recht an jedem vorbei zu fließen.“ Hier hat laut Verfassung jeder das Recht, einzigartig zu sein. Artikel 17 gewährt das Recht unglücklich zu sein. Und Artikel 21 berechtigt jeden, für seine Unbedeutsamkeit dankbar zu sein. Uzupis Botschafter sitzen auf der Welt verstreut, einer davon ist der Dalai Lama.
Belustigend, nicht ganz ernst gemeint und doch erstaunlich in einem Land, welches sehr düster und kalt wirken kann. Die litauischen Männer haben etwas Brutales, Grobschlächtiges. Echte Kanisterköpfe, viele machen den Eindruck als seien sie früh im Leben gescheitert. Brutal und rauh im Umgang, gerade auch mit Frauen. Die Litauerin ruft wieder das Bild des Ostens ins Gedächtnis. Kerle wirken eckig und dumpf, die Frauen zart und feingliedrig.
Die Stadt der Kreuze ist ein Besuch wert. Nicht wegen seiner Architektur, auch nicht wegen seiner Geschichte, oder dem Etikett UNESCO Weltkulturerbe zu sein. Vilnius Reiz ist das Schräge, das Kauzige eines Frank Zappas, die Ironie Uzupis und der wiegende Gang der bildhübschen Litauerinnen. Kein Wunder belegt Vilnius Platz 81 von 231 untersuchten Städten weltweit in punkto Lebensqualität.