Japan hat eine der faszinierendsten Kulturen weltweit. Eine Welt voll versteckter Rituale und Höflichkeiten. Bizarr, grotesk – aber irgendwie romantisch einfühlsam. Es geht um Gesichtsverlust und Respekt. Zurückhaltende Höflich- und Freundlichkeit sind hier keine Fremdworte, sondern der stete Puls im Umgang,
Diszipliniert stehen und bewegen sich die Tokioter in den aufgemalten Grenzmarkierungen der Metrostationen. Es ist ihr kleinster gemeinsamer Nenner, ein stilles Einverständnis von 20 Millionen Menschen. Ohne Rücksicht und Regeln würde der Pendlerstrom im absoluten Chaos kollabieren. Sogenannte Drücker, pressen die Berufstätigen in die streng getakteten Metros, damit sich die Türen auch schließen. Hingenommen mit stoischem Blick auf Tuchfühlung mit dem Stehnachbarn. Reine Frauenwaggons machen es Grapschern zudem unmöglich taktlos zu werden. Die Uniformität der Pendler zu beobachten ist ein erstaunliches Erlebnis. Es scheint nur eine Anzugsfarbe zu geben. Schwarz, mit weißem Hemd. Die Rebellen tragen ein blaues Hemd darunter. Es zeigt sich an diesen kleinen Dingen, die Angepasstheit einer ganzen Nation. Es geht nicht um das Individuum, sondern ums große Ganze. Einer für alle – ist das Mantra der japanischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die aber auch Extreme mit Gleichmut und Toleranz erträgt.
Tokios Shibuya ist berühmt für seine Manga Girls. Sie laufen so überdreht anders rum, das es schon nicht mehr nur als Protest verstanden werden kann. Teenies mit katzenförmigen Kontaktlinsen, in Fantasiekostümen gehören zum Stadtbild. Schulmädchen in straps-artigen Overknees stöckeln auf turmhohen Pumps durch die animierte Glitzerwelt als wäre es die normalste Sache der Welt. Gegensatz ist ein strapaziertes Wort, aber es passt zu Japan. Alte Tradition meets Avantgarde.
Aber hinter dem freundlichen Gesicht der Japaner lauert eine sehr geschlossene Gesellschaftsordnung. Ausländer sind willkommen und werden äußerst höflich und respektvoll behandelt. Ein Gast geht irgendwann wieder, kommen um zu bleiben ist eine schwierige Mission, die vor allem mit dem hintergründigen Rassismus der Japaner zurecht kommen muss. Nie würde ein Japaner dem Expat sagen: Geh! Aber es schwingt non-verbal mit. Langnasen gehören nicht ins Land der Flachnasen – und werden es auch nie tun. Die Art und Weise dies zu spüren ist eben subtiler als im auf Krawall gebürsteten Europa, aber nicht weniger beschämend. Nur die Höflichkeit überdeckt diese unsichtbare Facette Japans. Der Japaner blickt seinem Gast nach bis dieser außer Sicht ist. Egal wie lange dies dauert, auch 10 Blocks.
Japan ist ohnehin ein Teaser für die Augen. Das irre Tokio, das beschauliche Kyoto, dazwischen seltsam zersiedelte Landstriche. Im Shinkhansen – dem bullet train- schießen Reisfelder, Wohnhäuser und Industriegebiete am Fenster vorbei und zerfließen zu einer großen Melange, welche Japan auch ist. Es gibt keine städtische Trennung von Agrar-Wohn-und Industriegebieten. Es ist eins. Legendär die Pünktlichkeit und Exaktheit dieser Shinkhansen. Es ist mehr als nur ein Schweizer Uhrwerk. Es ist Präzision in formvollendeter Perfektion. Er hält exakt dort, wo er halten soll. Er kommt exakt dann, wenn er kommen soll. Es ist geradezu unmenschlich. Herrlich sympathisch die Begrüßung der Schaffner nach dem sie ein Zugabteil betreten haben und die Verbeugung bevor sie den Waggon verlassen.
Das alte Japan ist aber fast noch beeindruckender als das Ultra-Moderne. Diese stummen, kleinen Rituale der Verbeugung. Die Badekultur der Alten, das porzellanhafte Elfendasein der Geishas und das Essen. Es gibt kein besseres Sushi. Alleine die Zubereitung der Sushi Meister ist ein Genuss für die Augen. Nur wer einen Sushi-Meister bei der Arbeit sieht, versteht die Kunst und simple Genialität dieses Gerichts.
Japan ist eine scheue Blüte. Vorsicht, wer sie sieht, wird sie nie wieder vergessen. Japan ist die zarteste Versuchung Asiens.