Einfach mal nichts tun. Nichts denken, nichts reden, nichts müssen. Analog offline, der Tag zieht geräusch-und planlos vorbei. Die Dystopie des Alltags, das ist die generelle Vorstellung von karibischem Lifestyle. Easy living, alles sunshine. Als Gast empfindet man dieses Paradies als solches, aber wer auf einer Insel lebt, der weiß, dass das Paradies auf Erden gleichzeitig auch die Hölle sein kann.
Guadeloupe ist eine malerische Hölle. Und wirklich nur für diejenigen gemacht, die im oder am Wasser leben möchten. Gwada, wie die Locals sagen, ist unglaublich unaufgeregt und sehr, sehr ruhig. Es passiert einfach nichts und es gibt nichts Nennenswertes zu sehen.
Vielleicht ist das der Grund, warum es die Porte d’enfer gleich zweimal gibt. Imposant wegen der Felsen und ihrer Tiefe bekommt man einen Blick auf Guadeloupe anstatt immer nur von der Insel zu blicken. Es ist wie „The Beach“ und jeden Moment müsste Leonardo di Caprio aus dem Dickicht hasten. Er kommt aber nicht, typisch Gwada. Einfach nichts los.
Guadeloupe ist ein Surfer Paradies. Surf, eat, sleep. Und wieder von vorne. Das ist der tägliche Wahnsinn im Paradies. Das Paradies in Form eines Schmetterlings. Aus der Luft betrachtet ist Guadeloupe ein Schmetterling, gelandet im warmen Wasser der Karibik. Die beiden Flügel heißen Grande-Terre und Basse-Terre, und sie könnten nicht unterschiedlicher sein.
Grande-Terre ist aus der Werbung. Weiße Sandstrände, schroffe Felsen. Hier lungert man auf Lounge Chairs am Beach rum, lässt sich Drinks reichen und „kühlt“ sich hin und wieder in der 28 Grad warmen Badewanne ab. Die Surfspots reihen sich die Küste entlang, hier trifft der Atlantik ungebremst auf die Karibik. Reine Sandstrände sind allerdings selten, Außenriffe schützen die Lagunen, oder machen den Einstieg ins Meer mit unter zum Tetris für Fortgeschrittene. Sonst gibt es Seeigel-Akupunktur oder Korallenriff-Peeling frei Haus.
Basse-Terre ist spektakulär anders. Grün mit schwarzen Sandstränden. Die Fahrt von Basse-Terre Stadt zu Pointe-Noire ist eine unfassbare schöne „Small Ocean Road“. Kurvig wie eine permanente Berg-und Talbahn. Kleine Buchten, Ankerplätze und versteckte Strände ziehen abwechselnd im Durchfahren vorbei. Es wirkt noch eine Spur weniger touristisch als Grande-Terre, wobei der Begriff nachhaltiger Tourismus für Guadeloupe generell noch Gültigkeit besitzt.
Wem beim Abhängen am Strand irgendwann die Füße einschlafen, der könnte sich an einer der wenigen Attraktionen von Guadeloupe versuchen. Die Wasserfälle Chutes du Carbet im Nationalpark von Basse-Terre bieten Bewegung. Beim Treppensteigen durch einen feucht- grünen Vorhang kommt man zu verschiedenen Wasserfällen. Allerdings ist der Weg zum Première Chute ein knackiger 3 h Roundtrip und eher Typ Wanderstiefel. Die Flip Flop- Variante ist der Deuxième Chute, welcher über Holzstege in 20 min. erreichbar ist.
Trotz direkter Flugverbindungen nach Paris, ist Guadeloupe kein klassisch überranntes Ziel. Der Verkehr fließt mehr oder weniger gleichmäßig, die Insel kommt quasi ohne Ampeln aus. Man lässt sich gegenseitig höflich vor und schwimmt gelassen mit. Ausnahmen bestätigen die Regel, denn die Rushhour im Pointe-à-Pitre ist schon großstadtmäßig. Eigentlich eigenartig, den P-à-P hat – wie ganz Guadeloupe- kein wirkliches Highlight. Im Gegenteil, es hat was von kommunistischem Brutalismus.
Herzlose Wohnsilos, dazwischen Fußballkäfige, Abfälle und Tristesse. Aber die Wärme der Karibik, sich wiegende Palmen und das richtige Licht holen aus einem grauen Betonkasten etwas mehr raus. Wie farbige Clownfische im Riff nisten kleine Geschäfte in den Blöcken, bunte Graffitis und Wandmalereien lenken ab vom humorlosen Bau. Die Hölle auf Erden oder Paradies? Oft nur eine Frage von Dekoration und Präsentation.
Der zentrale Platz von P-à-P, der „Place de la Victoire“ ist ein übergroßer Salatteller mit verlottertem Park und vielen im Leben Gestrauchelten. Von sieg-oder glorreich kann hier keine Rede sein. Arbeitslosigkeit ist weit verbreitet, eine Quote von 30% macht Guadeloupe zur 3. Welt, und trotzdem herrscht nur sehr wenig bis gar keine Kriminalität. Viele Locals schließen nicht mal ihre Autos ab. Wo soll man mit einem geklauten Fahrzeug auf einer Insel auch schon hin?
90% der Guadeloupois sind Mulatten, nur 5% sind weiß. Der Rest sind Chinesen, Libanesen und Inder. Am sichtbarsten sind die knapp 40.000 Inder mit ihren Tempeln, die sich auf der Insel zaghaft verteilen. Natürlich ist Guadeloupe auf Touristen angewiesen, denn mit Bananen- und Rumexporten wird aus Gwada auch in Zukunft kein Monaco werden.
Bleibt zu hoffen, dass die Kreuzfahrer den Schmetterling künftig nicht mit ihren Massen fluten. Dann wird nämlich aus dem Paradies in jedem Fall die Hölle. Dann wäre das Offline Leben im schläfrigen Guadeloupe für immer vorbei.