Wer Portugal kennt, weiß das Land ist schön. Ein Land mit zwei Herzen. Lissabon die Stadt des Lichts und Porto die Stadt der Fischer. Lisboa – die Stadt des Lichts ist heute mehr Stadt der Socken in Sandalen. Was früher Kaffeefahrten mit Bus und Bahn waren, sind heute die europäischen Flugziele Barcelona, Paris oder Lissabon. Schön, aber überlaufen. Invasion der Stützstrümpfe!  Die Mobilität des 21. Jahrhunderts fordert erste Opfer, denn die Mainstream Ziele sind eigentlich keine Reise mehr wert. 

Tejo, Lissabon

Da trifft Erna aus Castrop-Rauxel auf Gisela aus Bad Tupfingen und regt sich über Hermann aus Meppen auf. Klar, sind die westlichen Gesellschaften alternde, aber es ist schon erstaunlich wie viele Rentner sich aufmachen, um letztlich dann genau das zu erleben wie bei sich zu Hause. Organisierte Bequemlichkeit, deutsche Tour-Guides und nichts als Landsleute um sich herum. Nur die Kulisse ist eben eine andere. Erlebt hat man eigentlich nichts. Es ist nur das Gefühl etwas Neues gemacht zu haben.

Leider ist Lissabon zu schön, um es nicht zu sehen. Elegant und mondän mit seinen weißen Kopfsteinpflastergehwegen. Verwegen mit seiner Golden Gate artigen Brücke über den Tejo. Quirlig in seinen engen Gassen im Barrio Alto. Durch das europäische San Francisco rumpeln alte Straßenbahnen über die Hügel, immer wieder öffnet sich der Blick über den weiten Tejo.

Vor der Haustür den Atlantik. Die große Badewanne Europas. Wer glaubt es geht kaum schöner, wird immer wieder aufs Neue demütig. Cascais, der kleine Badeort, hat sich bereits zu einer veritablen Stadt entwickelt. Indikator für Gentrifizierung – auch hier gibt es inzwischen MC Donalds. Die Golden Arches sind selten ein gutes Zeichen, was die Ursprünglichkeit eines Ortes angeht.

Ericeira – Surf City. Das weiß getünchte Zentrum hat sich seinen Charme bewahren können. Drumherum brechen aber 2 der besten Pointbreaks Portugals, sprich Ericeira entwickelt sich stetig weiter. Surfshops, Surfschulen, Surfer Flair – alles ist auf das Business ausgerichtet.

Peniche – streng genommen eine Festung auf einer Landzunge, umgeben von einer alten Stadtmauer duckt sich das Städtchen vor dem wilden Atlantik. Alles was es nicht hinter die Stadtmauer geschafft, liegt seltsam zerstreut auf der Landzunge davor. Auch hier ist die Surfindustrie fett im Geschäft. Wenn Ericeira Quiksilver ist, dann ist Peniche Rip Curl. Segen und Fluch, bricht doch mit Supertubos ebenfalls eine perfekte Rechts direkt neben der Hafenmauer.

Nazaré – das Big Wave Mekka. Ein kleiner kompakter Stadtkern, dicht gedrängt, als würden sich die Häuser anstellen, um endlich vorne an den Strand zu kommen. Daneben ein Felsen. Eine Trutzburg, Aussichtsplateau und Theaterbühne für weltweit rund 30 Surfer. Wer hier im Winter 20 Meter Brecher surft, ist Profi und lebt und arbeitet nur für diese Momente. Fehler können tödlich sein.

Oporto stand und steht aber schon immer im Schatten von Lissabon. Lisboa – der Name ist Programm- gilt als die Schöne, aber Porto als die Charmante. Wie bunte Nähkästchen an den Hang geschraubt, stehen die Häuschen am Rio Douro. Vorne wütet der Atlantik und trägt den Salzgeruch weit ins Herz von Porto.

Eine offensichtlich unterschätzte Stadt, die klein und kompakt ihre engen Gassen um den Douro verteilt. Foz Velha, das historische Viertel am Wasser steht unter Denkmalsschutz und oftmals leer. Miete und Instandhaltung der alten Buden sind immens. Die Portuenser leben am Stadtrand. Im Altstadtviertel – in Ufernähe ausgenommen – ist abends daher kaum was los. Ribeira is the place to be.

Ponte Maria Pia

Lissabons Schönheit hat sich rumgesprochen. Portos pittoresker Arbeiter-Charme noch nicht. Das hält die Preise unfassbar günstig und die Massen weit weg. Es ist ein bisschen wie bei der Damenwahl. Die Hübsche wird bestürmt und ist schnell vergriffen. Die Unscheinbare mit dem einfallslosen Etikett „Hafen“ in der Warenauslage, braucht schon Kenner um entdeckt zu werden. Danach mach es aber BUMM, und man ist schockverliebt.

Orientierung in Porto ist einfach und logisch. Steigt man nach oben, legt sich Porto einem wie ein Schmusekätzchen zu Füßen. Stolpert man nach unten endet man immer irgendwo am Rio Douro und damit quasi im Zentrum, welches selbstredend, UNESCO Weltkulturerbe ist. Verdienter kann man es auch kaum sein.

Mit 240.000 Einwohnern hat Porto in etwa die Größe von Kassel, ist damit aber zweitgrößte Stadt Portugals. Und im Vergleich zu Kassel ist Porto die Granate bei der Damenwahl. Nix gegen Kassel, aber Porto hat definitiv mehr Klasse. Und Rasse sowieso.

Zwei große Städte mit unterschiedlichem Charakter Porto und Lissabon. Die Beiden bilden quasi die Klammer für Portugals wilde Schönheit, unbefahrene Straßen, Wellen satt und tätowierten Hippster Lifestyle. Portugal ist leider kein „Hidden Gem“ mehr, aber es ist das schönste Gesicht Südeuropas.

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